Stefan Scherer | Kunst und Texte | Wasserburg – Gestern Heute Morgen | kuratiert | 22.09.2012 – Galerie im Ganserhaus
Jetzt bin ich doch erst mal sehr froh, dass es uns gelungen ist unseren Plan eine Wasserburg-Ausstellung, – die Zusammenstellung also künstlerischer Blickwinkel auf Wasserburg durch die Jahrhunderte – tatsächlich umzusetzen.
Es war nämlich wirklich viel Arbeit, – und ganz ohne Larmoyanz – weit mehr, als wir gedacht hatten. Aber dafür brachte es uns auch an ungeahnte Orte, wie z. b. den Rathausspeicher mit seinen schweren Rollschränken voller alter und neuerer Kunstwerke, – teilweise sah ich dort sogar Ankäufe aus unseren Jahresausstellungen wieder – und begleitet von Frau Fehler und ihren Kolleginnen vom Heimatmuseum surften wir durch die Amtstuben auf der Suche nach Wasserburg-thematisierenden Kunstwerken und kamen sogar bis in die Wasserburger Bußgeldstelle, die ich aber schon vorher gut kannte. Diesmal durfte ich mir aber „Unter den Lauben„ von August Stremel abholen, eines von Wasserburgs Augäpfeln, wie Sonja Fehler mir erklärte.
Im Zuge unserer Recherchen drangen wir auch in die Tiefen des Wasserburger Stadtsparkassen -gebäudes vor, das – was ich nicht wusste, mich aber auch nicht wundert – ein preisgekrönter Bau und mittlerweile denkmalgeschützt ist.
Die Wasserburger Stadtsparkasse ist spätestens seit den sechziger Jahren durch ihre Sammlung und ihr traditionelles Engagement in Sachen Kunst einer der wichtigsten Kulturträger und Sponsoren in der Region und wir waren sehr gespannt, welche Schätze uns in den Labyrinthen des für seine Zeit avantgardistischen Gebäudes begegnen würde.
Robert Miningshofer war so freundlich uns durch die, mir endlos erscheinenden Gänge und Flure zu führen, die jetzt alle ein paar ästhetische Löcher haben, nachdem wir Ihnen die Schlittgens und Staudtes entführt haben.
Die eigentlich Reise durch die Wasserburger Sammlungen, – wobei wir so wichtige, wie die “Sammlung Joa“ aus Zeit und Personalgründen gar nicht berücksichtigen konnten – begann aber im Heimatmuseum.
Da hängt z. b. noch immer,- und ich sag das so, weil ich es natürlich lieber hier bei uns hätte – das Gemälde „der Tag“ von Peter Candid, ein allegorische Ansicht mit Wasserburg als Kulisse von 1590 oder ein kleine, sehr malerische Votivtafel von 1673. Aus konservatorischen und am Ende auch aus versicherungstechnischen Gründen war es uns aber nicht möglich diese Herzstücke in unsere Ausstellung aufzunehmen.
Dafür aber haben wir ihre vier anderen „Augäpfel“, wie unsere Museumsleiterin ihre Schätze nennt und auch den „Christbaumdieb“, so der interne Titel des Bildes von Hans Ganser, dem Erben und Überlasser dieses wunderschönen Hauses, das heute unsere Galerie ist.
Also, alles Grund genug mal wieder ins Heimatmuseum zu gehen, um sie sich diese Herzstücke anzusehen.
Aber zurück zum Ganserhaus und zur unserer Ausstellung „Gestern-Heute-Morgen“ und die beginnt, zumindest geographisch auf unseren Rundgang bezogen mit einer Arbeit von Walter Voss, dem in Wasserburg lebenden, Augsburger Architekten und wunderbaren Zeichner mit einer Dachansicht hin zu Jakobskirche und einem Strich wie Egon Schiele.
Daneben steht eine Skulptur von Wilhelm Zimmer, „Traumfänger“ und eigentlich das Porträt des damals stadtbekannten August Frommer.
Viele Wasserburger werden auch den Film kennen, der dieses Wasserburger Original porträtiert und endgültig zu einer Wasserburger Indentifikationsfigur machte.
Gleich um die Ecke, hier im Schaufensterraum eine wunderbare Leihgabe der Stadtsparkasse: Herrmann Schlittgens „Innfront“ aus den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts.
Schlittgen lebte lange in Paris, war mit Edward Munch befreundet, seine Bestimmung als Maler aber fand Schlittgen nach seinem eigenen Urteil erst, als er kein Illustrator mehr war und 61jährig nach Wasserburg zog. Sich gänzlich der Malerei widmend, verbrachte er viele Jahre in dieser Stadt und trug entscheidend zu seinem kunsthistorischen Bild bei. 1930 verstarb Schlittgen und hinterließ in Wasserburg ein zeichnerisches und malerisches Werk.
Gänzlich anders aber als „heutiger“ Künstler nicht weniger bedeutend und das speziell für Wasserburg, den AK68 und das Ganserhaus ist C. A. Wasserburger, der mit seinen drei Briefen an die Stadt Wasserburg und den, sie flankierenden Objektkästen: “Aus dem Inn” uns eine in allem große Arbeit zur Verfügung stellt.
In dieser Arbeit ist ebenso schön, wie allegorisch zu sehen, wie das Strandgut des launischen Inn in diesen Objektkästen mit der Uferlosigkeit seiner queren Briefe korrespondiert. Und außerdem wird im Text viel vermutet und es fragte auch schon jemand, ob´s das Werk nicht auch als CD gäbe.
Hinter der Bibliothek geht´s weiter im “Heute” mit Malerei von Gabriele Granzer ”Gleichwie der Inn, fließt alls dahin”, dem Zitat eines barocken Wasserburger Mönchs, darauf folgend die akribische Arbeit von Gerhard Prokop und an der Stirnseite des Raums eine düster-bunte Wasserburg-Vision von Willy Reichert.
Links davon ein „Morgen“ – so nennen wir die Kategorie der unter-dreißigjährigen Künstler, wie hier Mira Sacher, die z. ZT. in Wien studiert mit ihrer Arbeit über „Heinz“ und viele Wasserburger werden ihn wiedererkennen.
Im Raum daneben gibt`s außer dem wunderbaren Buffet von Andreas Ass ein schönes Triptychon von Rainer Devens, der sich mit seinen Wasserburger-Häuser-Ansichten bereits einen exzellenten Ruf als Wasserburgmaler geschaffen hat.
Ihm gegenüber das Motiv der Innschleife von Josef Pilartz in dessen Atelier ich die Ehre hatte zwei Jahre zu wohnen. Natürlich wusste ich davon nichts. Ich hab`s erst Jahre später rausgefunden. Sein Atelier war mein Wohnzimmer in der Fletzingergasse und schöne 80 qm groß.
Und dazwischen ein wenig „modern-media“ des Wiener – und Wasserburger Computerkünstlers
Gerhard Höberth mit “Qu-bits 2005-2012”
Im zweiten Stock dann erscheint rechts neben der Treppe ein lockeres Aquarell, des in den 1950ern mehrfachen Documenta-Teilnehmers Eduard Bagheer und geradeaus die “Rote Brücke” von
Weiter gibt es auf der Galerie zu sehen: die Jakobskirche des Kunsthistorikers, Graphikers und Malers Guido Joseph Kern aus den Kriegsjahren und daneben den kleinen und schönen “Blick auf Wasserburg” von Anette Kobe, die zu den “heutigen” gehört und deren Arbeit deshalb auch käuflich erworben werden kann.
Durch den Durchgang blickt man dann direkt auf das Wasserburger Lieblingsbild: “Unter den Lauben” von Max Arthur Stremel und 1908 gemalt.
Stremel war Student der Münchner Akademie; fand unter dem Einfluss Fritz von Uhdes zum impressionistischen Stil; wandte sich in Paris dem Pointillismus zu und zählte zu den bedeutendsten, deutschen Malern dieser Stilart; Stremel verband eine Freundschaft mit Otto Geigenberger; während mehrfachen Aufenthalten in Wasserburg schuf er zahlreiche Bilder der Stadt, darunter eben „Unter den Lauben.“
Eine absolut wunderbare Arbeit des gerade erwähnten Otto Geigenberger hängt an der Stirnseite des Raumes; schnell, sicher und locker gemalt und in der ganzen malerischen Auffassung sehr modern, in seiner Schlichtheit aber und farblicher Zurückgenommenheit von zeitloser Schönheit.
Links daneben eine kleinere Arbeit seines nicht weniger bekannten Bruders, des Karikaturisten und Illustrators August Geigenberger.
Die beiden kommen aus eine veritablen Künstlerfamilie. Vater war der Bildhauer Heinrich Geigenberger und alle sechs Geschwister wurden Künstler oder waren zumindest auf der Münchner Akademie. Internationalen Ruhm aber erlangte vor allem Otto.
Links von den Geigenbergers gibt´s einen Blick auf die Tränkgasse von August Engelberger.
Über Engelberger fand ich nur sehr wenig, außer der Laudatio anlässlich einer Retrospektive in der Wasserburger Stadtsparkasse. Er war Zahnarzt hatte aber auch ein volles Kunststudium absolviert und wohl auch einen Ruf in der Stadt, den sich eher Künstler als Zahnärzte erwerben.
Er hinterließ ein umfangreiches Werk und die bei uns gezeigte Tränkgassenansicht aus dem städtischen Fundus ist einfach wunderbare, expressionistische Malerei.
Im Folgenden kleinen Durchgangsraum graut aber schon der “Morgen”, unsere Kategorie der unter dreißigjährigen Wasserburger Künstler: David Röder, mit f geschrieben studiert in Leipzig Malerei.
Als Protagonist seines hier gezeigtem, vierteiligen, autobiographischen Comics aber nennt er sich David Rödrecht, der in dieser Bilder-Geschichte seine fetzigen Abenteuer mit der “Wasserburger großen Kunstausstellung” besteht – deren Preisträger er mal war -, detaillegetreu und liebevoll gezeichnet, als verkanntes Genie und Kunstver-Bär-ger.
Gleich daneben ein weiterer Augapfel unseres freundlichen Leihgebers, des Heimatmuseums diesmal eine romantische Ansicht des Marienplatzes von Jakob Strixner von 1846.
Und ebenfalls einen Schatz aus dem Speicher unseres Rathauses, der z.Zt. das unzureichende Gemäldedepot der Stadt Wasserburg darstellt, ist das Werk von Hans Evers, “Blick in die Schustergasse”.
Die Stadt in Vertretung von Frau Fehler wollte es kaum hergeben. Wie man sehen kann ist der vergoldete Rahmen mit Japanpapier vor weiterem Abblättern gesichert, was uns einen gewissen Einblick in die Arbeit der Restauratoren gibt aber auch in die zwingende Notwendigkeit eines modernen Depots, das ich unserer Stadt, seinen Sammlungen und insbesondere dem Heimatmuseum sehr wünsche.
In unserem Saal oder sagen wir unserem größten Ausstellungsraum hängt gleich links ein Bild, dass mein Malerherz von Anfang an begeisterte. Es lässt alle Moden vergessen ist nur einfach Malerei, kokettiert nicht mit Stil noch Zeitgeist in völlig schlichter und wunderbarer Komposition von Farbe, Form und Duktus. Es ist das Gemälde „Boote am Fluss“ von Carl Staudte und ich muss zu meiner Schande gestehen: „Ich fand gar nichts über ihn.“ Ich bleibe aber hingerissen und finde es großartige Malerei und sobald ich etwas finde, reiche ich es nach.
Rechts daneben eine moderne Kollage von Dominik Hausmann.
Er nennt es Hexenhäuschen und wer genau hinguckt, entdeckt die Innplätte am Skulpturenweg. Dominik gehört altersmäßig zu unseren Morgenmenschen und die Bayrische Staatsgemäldesammlung hat bei ihm auch schon“ Guten Tag“ gesagt.
Und gleich daneben die Tränkgasse in Malerei getaucht von August Geigenberger.
Gegenüber haben wir die wohl abstrakteste Darstellung von Wasserburg. Es sind die Stadtpläne von Paul Mooney.
Einmal „Heute“ und einmal „Morgen“ und ich bin immer wieder überrascht und begeistert, wie Paul es hinbekommt, seiner so völlig reduzierten Bildsprache treu zu bleiben und doch das Thema der Ausstellung umfassend und malerisch zu beschreiben.
Unseren kleinen Nebenraum haben wir diesmal für Fotographie und die farbstärksten Arbeiten dieser Ausstellung vorgesehen.
Zunächst Klaus Honauer, unter anderem Gründungsmitglied des AK68 hier mit einer fast Cézanne-haften Innschleife, dann Gabriele Schmid an der Stirnseite mit einer für sie typischen, leuchtend-farbigen Innfront, links daneben Heidi Schmidinger, bekannt durch ihre fotographischen Überblend-techniken, zeigt hier ein mit Rost bearbeitetes romantisches Stadtbild Wasserburgs und daneben Alexander Hecks Fotografien – Wasserburg im Nebel und das Bild eines verfremdeten Fahrradfahrers im Hag.
Fast am Ende unseres Rundgangs und zur Ihrer Erleichterung auch bald am Ende dieser Rede kommen wir noch an Fritz Armbruster vorbei und seiner leichten Tuschezeichnung der Schustergasse und links gegenüber ein wie gewohnt düsteres Aquarell von Andreas Kelling mit Schädel auf der Fensterbank zur Hofstatt.
Im Keller selbst sieht man, besser – erlebt man – die beindruckende Arbeit von Ute Lechner und Hans Thurner.
Diese drei, die Innschifffahrt umschreibenden Objekte stehen wie Reliquien vergangener Zeiten im fast dunklen Raum. Begleitet von den in Abständen durch den Raum dringenden Versen Rainer Maria Rilkes „Großen Himmeln preisgegeben“ auf Endlosband gesprochen von den Künstlern selbst. Ein pures Drama in Rost, Salz, Holz und Metall. Emotionaler geht’s nicht. Aber was ist Kunst. Zuerst einmal nichts weiter als ein emotionales Erlebnis und in dieser Schönheit ganz unglaublich.
Am Ende dieses Beschreibungsversuches und als persönliches Fazit, bin ich bei allem, was mir auf der Suche nach Wasserburger Kunst begegnete wirklich froh und glücklich, dass es mich hierher verschlagen hat.
Ich kenne keine Stadt, auch nicht vom Hörensagen, die an ihrer Größe gemessen so eine Neigung zur bildenden Kunst hat und so einen Reichtum daran.
Meiner Erfahrung bei der Zusammenstellung dieser Ausstellung ist ja vor Allem, dass das, was wir hier zeigen können nur kleiner Teil all dessen ist, was Wasserburg an ungehobenen Schätzen noch zu bieten hat.
So gesehen ist diese Ausstellung ein Anfang, wie schon ihr berühmter Vorgänger, die Ausstellung „Wasserburger Ansichten“ von 1980 ein Anfang war und es wird damit keine Ende geben, solange diese wunderbare Stadt Wasserburg so kunstsinnig bleibt, wie sie ist.
Herzlichen Dank für ihre Aufmerksamkeit und viel Vergnügen in der Ausstellung: Wasserburg – Gestern – Heute – Morgen.
Stefan Scherer | 22.09.2012
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