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Alex Heck | So ändern sich die Zeiten

Stefan Scherer | Kunst und Texte | 24.01.2013 – AK68 Galerie im Ganserhaus

 

Was, wenn Alex Heck ganz ohne Auftrag und nur seiner Intuition folgend die Kamera als rein künstlerisches Instrument verwendet?

 

Was wir da zu sehen bekommen ist auf den ersten Blick eine grobkörnig, schwarz- weiße Kompromisslosigkeit, ein motivierter Eigensinn, ein wider-Erwarten, ein „Kein-Wasserburg“ dafür aber Alex Hecks denkbar persönlichstes Selbstporträt in 52 Bildern, Ansichten und Blickwinkeln.

 

Das beginnt nun großformatig im Eingang mit einer ironisch: – Bella Italia – getitelten Kollage aus Verkehrszeichen, Landschaften und Gullideckeln. Bearbeitet in der sogenannten Sandwichtechnik digitaler Fotografie lässt Alex Heck ein kryptisches Bild sich überlagernder Reise-Assoziationen entstehen,…und ich glaube geübte Italienfahrer könnten noch ein paar Bildfetzen dazugeben.

 

Ebenfalls im südeuropäischen Raum entstanden sind die Arbeiten hier links neben mir „Der Löwe brüllt nicht mehr“ und „exclusivo“, bruchstückhafte, abstrakte Kollagen aus Fassadenstrukturen und ins Leere weisender Zeichen und Beschriftungen. Diese Leere, eigentlich aber das Vakuum, welches dem Betrachter dieser Bildern die Gelegenheit bietet, es mit der eigenen Geschichte zu füllen und sich so unbewusst mit Hecks Werk zu identifizieren, findet sich auch gegenüber in der Arbeit „Gutshof“. Alex Hecks Neigung zu Leere oder Stille zeigt sich hier in seiner, wie ich finde romantischsten Form, eine in Nebel getauchte Ungewissheit, der Weltschmerz in Graustufen und die Einsamkeit als Kunstform, als wär´s die Illustration zu dem uns allen bekannten Hesse-Gedicht:

 

Seltsam, im Nebel zu wandern!

Einsam ist jeder Busch und Stein,

Kein Baum sieht den anderen,

Jeder ist allein.

 

Ein wenig kontrastreicher führt uns eine Reihe kleinerer schwarzweiß Bilder weiter in die Ausstellung und stiltypisch für Alex mit unbelebter Architektur. Diese kleinen Ansichten wirken merkwürdig kineastisch in Licht und Motiv, ein wenig Film Noir und zufällig sah ich kürzlich in München Malereien von David Lynch, dem amerikanischen Filmemacher und Neo-Noir-Regisseur. Das war für mich auch deshalb interessant, weil es mir Gelegenheit gab auch hinsichtlich dieser Ausstellung hier, den Unterschied, die fließende Grenze zwischen Melancholie und Depression zu differenzieren, d.h. da wo sich Lynch düster-pessimistisch und hoffnungslos gibt, zeigt Heck eine sanfte und akzeptierende Vergänglichkeitsstimmung.

 

Alex kann aber auch anders kann, denn es folgt eine Serie seltsamer, fast unheimlicher Porträts, in Graustufen gespiegelter Gesichtshälften, maskenhaft und abstrahierend zusammengesetzt, spätestens aber mit dem Titel „Frau Schmidt will´s wissen“ wird das Ganze ein witzige Groteske.

 

Die darauffolgende große Fotografie an der Stirnseite heißt: „Beklage nicht den…Punkt-Punkt-Punkt. Sie zeigt eine androgyne Figur mit aufgerissenen Augen, sehr graphisch in ein schönes Spannungsfeld von gestalteter und ungestalteter Fläche gesetzt und in ihrer Erscheinung so hilflos wie rätselhaft.

 

Links davon hängt „Frau Schulz“. Alex erzählte mir, dass diese großformatige Fotografie ursprünglich eine Auftragsarbeit war und am „Staudhamer See“ aufgenommen wurde. Im Ergebnis erkennt man jetzt eine junge Frau mit überblendetem Gesicht in anonymisierter, jugendlicher Weiblichkeit.

 

Und einen Raum weiter zeigt Alex nochmal seine Vorliebe für malerische Strukturen. Ich selbst bin ja Maler und beneide Alex da um seinen fotografischen Vorteil. Heck zeigt in diesen Bildern alte, halb verrostete Öltanks, – die er beim Zosseder entdeckte. Als Maler muss man sich lange mühen um diese schwärzlich-rostfarbenen Strukturen mit ihren rötlichen Höhungen glaubwürdig hinzubekommen. So ist Hecks eigentliche Leistung sein Blick auf die Dinge, das Erkennen des malerischen im Banalen und diese Fähigkeit ist ein Geschenk und seltenes Privileg. Das beweist Alex auch oben auf der Galerie mit drei, wie ich finde so unterhaltsamen, wie farbig ästhetischen Fotografien der karussellartige Ein- bzw. Ausfahrten der Wasserburger Parkhäuser. Die drei Fotos zeigen nicht nur farbige Fotoabstraktionen in drei Variationen, sondern transportieren in ihrer verzerrenden Belichtung und Unschärfe auch ganz wunderbar dieses schwindelerregende Gefühl im Durchfahren der Ab – und Auffahrten.

 

Im nächsten Raum dann kommen wir wohl in Alex Hecks persönlichsten Teil dieser Ausstellung. Es sind im weitesten Sinne sieben Porträts seines Sohnes Simon. Der Begriff Porträt greift aber zu kurz für diese, über einen Zeitraum von gut zehn Hintergrund erscheint. So sieht man Simon in verschiedene Szenerien als spielendes Kind, nachdenklicher Jugendlicher, ausgelassener Strandläufer oder als Angler mit Hund. Durch das aber, in seiner Bildbedeutung Ineinandergreifen von Simon und seiner Umgebung, also Figur und Landschaft, Protagonist und Kulisse gelingt Alex Heck gerade in dieser Serie eine starke atmosphärische Verdichtung. Und in ihr ahnt man die Struktur einer Metapher über Sein und Werden eines so einzelnen wie auch einsamen Wesens…oder ein bisschen weniger abstrakt ausgedrückt „Das Gleichnis über die Kindheit als Robinsonade“

 

Auch im nächsten Kapitel seiner Ausstellung bleibt Alex Heck thematisch der Vereinzelung im grauen Kosmos treu. Bäume, als Solitäre in der Landschaft, eine Art Endstadium in Graustufen. – Ich unterhielt mich ein wenig mit Alex darüber – die Aufnahmen entstanden in Schottland und es ist nur belassene Natur in einer rauen Umgebung, zugeben ein bisschen gnadenlos und weit weg von einer flurbereinigenden Forstwirtschaft. Es ist aber eben dies, was Alex mit dem Titel dieser Ausstellung auszudrücken versucht. „So vergehen die Zeiten„ und nichts könnte beispielhafter dafür stehen, als diese geschundenen, verbrauchten aber immer noch aufrecht stehenden Naturdenkmäler in der phänomenalen Landschaft Schottlands. Gleichzeitig waren und sind diese Naturerscheinungen für uns alle die Zeichen der Zeit, der Vergänglichkeit und nicht zuletzt unserer eigenen Existenz, etwas das wir in der – auf den Allgemeingeschmack getrimmten und durchästhetisierten Landschaftsgestaltung – kaum noch zu sehen bekommen. Umso wichtiger sind die Künstler, die diese vergehenden und aufkommenden Zeiten dokumentieren, kalt, flach und knallscharf wie unsere derzeitigen Fotostars Andreas Gurski und Thomas Struth oder, still und weichzeichnend wie Alex Heck und konsequent gegen den Trend.

 

Ganz zum Schluss zeigt uns Alex in unserem kleinsten Raum noch eine kleine Reihe schwarz-weiß Fotografien, diesmal aber sind es die Zeichen der Straße oder besser auf der Straße. Wie schon zu Beginn dieser Schau, die Alex übrigens völlig allein, samt Hängung konzipierte, zeigt er in fast eleganter Beiläufigkeit das Überraschende der Banalität, Pflastersteine, die sich wie zufällig zu merkwürdigen Markierungen, heimlichen Signalen und kryptischen Botschaften sortieren.

 

Und so sind und bleiben in dieser Ausstellung die Welt der Zeichen und die Zeichen der Zeit Hecks großes Thema und wir Anwesenden und nicht zuletzt die Stadt Wasserburg können uns glücklich schätzen Alex Heck nicht nur als bedeutenden Fotokünstler unserer Stadt betrachten zu dürfen, sondern auch als d e n Wasserburger Bildchronisten und ich weiß von vielen, die schon jetzt begierig auf Alex nächste Ausstellung warten, auf seine Chroniken, seine Archive aus fast 40 Jahren Fotoarbeit, besonders aber auf seinen speziellen Blick auf die Stadt, auf uns und die Zeichen der Zeit.

 

Stefan Scherer | 24.01.2013

 

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