Stefan Scherer | Kunst und Texte | Große Kunstausstellung Wasserburg 2009 | 25.07.2009
Hört man ein wenig in die Eröffnungsreden der diesjährigen Ausstellungssaison, so zieht sich das Wort Krise wie ein roter Faden durch die ausstellungstätigen Kunstvereine. Kunst in Zeiten der Krise oder „Kunst trotzt Krise“ behauptet sogar beschwörend die „Grosse Rosenheimer“. Im Gegensatz aber zu den gesicherten oder etablierten Positionen, wie man sie hier in unserem schönen Rathaussaal ganz wunderbar in Gestalt der wiederhergestellten Renaissance-Malereien betrachten kann, stellt die Krise alle bisherige Erfahrungen, Normen, Ziele und Werte in Frage und erscheint uns als zunehmend unüberschaubare Ansammlung kritischer Situationen. Trotzdem, dies will und soll die „Grosse Wasserburger Kunstausstellung“ sein, eine Ansammlung kritischer Situationen, die Krisenbewältigung als ästhetisches Ereignis, bunt, plural und experimentell. Bei der Überschaubarkeit allerdings haben wir ein bisschen nachgeholfen und ich möchte an dieser Stelle dem Ausstellungsteam mit Sieglinde Bernd, Ivo Franz, Andreas Pytlik und der Jury mit Walter Tafelmaier und Friederike Höllerer und allen Helfern herzlich dafür danken.
Bazon Brooks, der bekannte Ästhetik- und Medienprofessor erkennt in seiner Eröffnungsrede zur „Grossen Münchner Kunstausstellung 2009“ den Künstler, die Künstlerin in ihrer Bereitwilligkeit zum ökonomischen, wie schöpferischen Risiko als den wahren Krisenspezialisten. Es ist ihre fortwährende Bereitschaft in ihren Konzepten und Arbeitsprozessen, dem „trial and error“ ökonomisch wie künstlerisch zu scheitern und sich trotzdem immer wieder neu zu erfinden. Zu Recht bricht Bazon Brooks hier eine Lanze für sie, ihre Kunst doch zu wagen, zu leben und zu ihrem Beruf zu machen entgegen aller Warnungen ihrer Mütter, Väter, Onkel und Tanten und gerade heute angesichts eines global ökonomisch wie sozial verunsicherten Establishments.
So möchte ich speziell unseren jüngsten Künstlern und Künstlerinnen Vera Moritz, Simon Mayerhofer, Mira Sacher mit ihrem großen Stickbild, David Röder mit seiner kleinen Mischtechnik und Jonas Münch mit seinem nachdenklichen „guantanamo closing“ viel Glück und Kraft für ihr gerade beginnendes Künstlerleben wünschen, und dass sie die unvermeidliche Krise nicht fürchten und bestehen mögen. Auch gilt in diesem Zusammenhang mein besonderer Dank der Künstlerin und den Künstlern Gertruda Gruber-Göpfertova, Herrmann Wagner, Erich Angele und Ernst Eichinger, der mit seinen Achtzig Jahren der jüngste in dieser Reihe ist, für ihre fortwährenden Teilnahme an unseren Jahresausstellungen..
Abschließend gilt die eingangs erwähnte Definition der Kunstausstellung als „Ansammlung kritischer Situationen“ natürlich auch im Hinblick auf ein, in seiner Wahrnehmung vielleicht nicht ganz so krisensicheres Publikum. Es ist uns daher sehr bewusst, dass ganz ähnlich wie die jetzt so spürbaren, ökonomischen Erschütterungen viele der hier gezeigten Arbeiten auf den ersten Blick manchem unverständlich, ja verunsichernd erscheinen mögen. Was sich aber dem geneigten Betrachter, allen Interessierten, den Kennern und sogar beiläufigen Besuchern in der diesjährigen „Grossen Wasserburger Kunstausstellung“ bietet, sind eben nicht die Katastrophen, Pleiten oder der Kollaps, sondern die wider den Zeitgeist strebenden, komplexen und grandiosen Ergebnisse gelungenen Scheiterns, den bewältigten Wachstums- und Reifungskrisen in wunderbar klugen und unterhaltsamen Bildern und Skulpturen.
Stefan Scherer | 25.07.2009
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