Stefan Scherer | Kunst und Texte | Jonas Münch – Heimat | Galerie im Ganserhaus | 09.08.2010
Ich möchte kurz versuchen zu definieren, warum diese Ausstellung kein soziales Projekt ist und auch keine Foto-Dokumentation, sondern ein Kunstwerk. Da „Kunst“ selbst durch ihre stetige Erneuerung und Erweiterung nicht abschließend definiert sein kann und darf, so wie in Wissenschaft und Forschung eben auch, haben wir also immer nur ein paar Kriterien zur Hand um Kunst als solche zu bestimmen und selbst die können bezweifelt werden und am Ende ist es die Kunstgeschichte, die entscheidet. Solange können wir aber nicht warten.
Zunächst also zum Konzept von Jonas Münch, so wie er es in seinem Formblatt für die Teilnehmer beschrieb: „Es werden Einwegkameras an 50 Personen ausgegeben, die sich einen Monat lang mit dem Thema »Heimat« auseinandersetzen und dies fotografisch festhalten. Die Kamera wird zum ständigen Begleiter, ähnlich einem Skizzen- oder Tagebuch. Zum Schluss werden die Kameras eingesammelt und die Fotos zusammengetragen. Am Ende des Projekts steht ein großes Ganzes. Das Ergebnis der Arbeit wird in einer Ausstellung präsentiert.“
Das was nun Jonas Münchs Konzept zur Kunst macht und womit er die gängigen Kriterien aufs beste und schönste erfüllt sind: Zweckfreiheit, Originalität und ein geistig und sinnlich-ästhetisch erfahrbares Verhältnis von Form und Inhalt.
Zur Zweckfreiheit: Jonas Münch selbst schreibt in seinem Konzept: “Das Ergebnis des Projekts ist nicht absehbar. Schließlich aber ist es uns möglich durch den hier sichtbaren, fotografischen Ergebnis-Strang den Begriff „Heimat“ auf mehreren Ebenen wahrzunehmen, sowohl persönlich-subjektiv im Inhalt, als auch sinnlich-ästhetisch oder auf der rein intellektuellen Deutungsebene – ohne definierte Zweck- oder Zielgebundenheit.”Originalität: Die Idee unbekannte Menschen mit Kameras auszurüsten und in sie in einem vorgegebenen Zeitrahmen ihre Vorstellung von Heimat fotografieren zu lassen, bleibt schon durch die Unwiederholbarkeit ein Original. Denn weder die Zeit lässt sich zurückdrehen noch der stetige und schnelle Begriffswandel und so sehen wir hier ein Stück gefrorene Zeit, – sinnlich-bildlich und als zeitgeistiges Dokument. Form und Inhalt: Die Form, bzw. die Abmessung sind für diese Ausstellung ziemlich genau 49 Personen, 49 Kameras, 31 Tage, 1042 Bilder und ein buntes Band von 68 Meter Länge durch 8 Räume für vier Wochen. Und auch der Inhalt besteht aus nicht weniger als 1042 intellektuellen , emotionalen und schließlich fotografischen Ansichten des Begriffs Heimat, abhängig von den handelnden Personen, ihres Befindens und ihrer persönlichen Motive – und schließlich ist die Arbeit gefasst in das schon erwähnte bunte Band, welches sich wie ein abstraktes Fries durch das ganze Haus zieht.
Mir persönlich aber erschloss sich die ganze Schönheit des Konzeptes, als ich langsam an diesem Heimatvorstellungs-Fries entlang schritt und mich wie auf einem dieser Laufbänder im Flughafen vorbeigeleitet fühlte – an einer unendlichen Kette von Assoziation und Bildern einer zutiefst menschlichen Vorstellungswelt. Und nicht zuletzt ist es das großartige künstlerische und soziale Engagement aller Teilnehmer, welches Jonas Münchs „Heimat-Konzept“ zu einem großen Werk macht.
Stefan Scherer | 09.08.2010
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