Stefan Scherer | Kunst und Texte | Lisa Endriss – David an Goliath in paradise | 23.01.2016 – Galerie im Ganserhaus
Beim Rundgang wird schnell deutlich, dass es sich In Lisa Endriss Show „David and Goliath for paradise now“ nicht nur um eine schlichte Malereiausstellung handelt, – wie einem das großformatige Gemälde im Eingangsbereich suggerieren könnte -, sondern in erster Linie um ein Kunst- und Umweltprojekt, das uns Lisa, in Malerei, Graphik, Installationen und einem Video als fiktionale Dokumentation präsentiert .
Auch der an sich widersprüchliche Untertitel: „Ein Kunst- und Umweltprojekt“ erklärt sich in diesen künstlerischen Dokumentationen. Denn genau genommen kann ein Kunstprojekt ja immer nur ein Kunstprojekt sein und nichts anderes. Da es sich aber bei dem in Malerei, Zeichnungen und Installationen, und nicht zuletzt filmisch umgesetzten Projekt um reine Fiktion handelt, ist diese Umwelt und ihre Protagonisten natürlich künstlich, so real ihre Bezüge auch sein mögen.
Also alles Kunst und künstlich. Wenn da nicht diese Spieglung wäre, d.h. Lisas Reflexionen über die globalen Phänomene unserer Zeit, von der Flüchtlingsproblematik bis hin zum Klimawandel, die uns unweigerlich in unsere täglich erlebte Wirklichkeit zurückholen. Das aber macht Lisa Endriss auf eine Weise, die so leicht, humorvoll und verspielt erscheint, dass es das zugrunde liegende Drama erstmal vergessen macht, um dann aber – wie Weintrinker sagen würden „im Abgang“ noch ein bisschen bitterer daherzukommen.
Wir befinden uns also in diesem Moment und in allen Räumen unserer Galerie in einem einzigen Dokumentationsszenario der Geschichte und Entwicklung dieses Kunst und Umweltprojektes. “David and Goliath in paradise now“ , dessen Dramaturgie sich aus folgender Ausgangssituation entwickelt und ich zitiere aus dem Vorspann des oben gezeigten Films: „Anstatt darauf zu warten, bis man zum Mars auswandern kann, haben Leute aus Europa und Amerika vor einigen Jahren begonnen auf den Weltmeeren und in Wüstenregionen zu leben. In den sich entleerenden Metropolen, – den „shrinking citys“, fand ebenfalls eine Neubelebung statt, denn viele Zuwanderer konnten jetzt in leerstehenden Banken und ähnlichen Gebäuden günstigen Wohnraum mieten. „Vorraussetzung für alle Projekte war günstiger Strom aus solartechnischen Projekten, Gezeitenanlagen und Windkraft.
In allen drei neuen Lebensformen sprudelten nun die Innovationen hervor, wie früher das Erdöl.“
Im diesem filmischen Teil des Kunst- und Umweltprojekts zeigt Lisa Endriss nun das fiktive Interview seiner hypothetischen „Pioniere“ wie Lisa die Protagonisten ihres Filmes nennt. Dazu erklärte mir Lisa in den Vorgesprächen, dass sie die Hauptakteure ihres Projekts unter den Sammelbegriffen „Pioniere“, „Globalplayer“ und „Daseinsakrobaten“ zusammenfasst. Der Pionier ist, wie im Film, auf den Zeichnungen und manchen Malereien, die Figur des Vorkämpfers dieser alternativen Lebensweisen zur Rettung unseres Planeten. Der „Globalplayer“ ist Lisa Endriss Synonym für den großen Zusammenhang und meint damit sowohl die Gründer global agierender Konzerne, wie auch den, in seiner Vereinzelung gegen die Ölpest kämpfenden Fischer, wie auf einem der vielen Gemälde zu sehen ist. „Daseinsakrobaten“ sind wir nach Lisa schließlich alle in unserem Bemühen die Höhen und Untiefen unsere Existenz auszubalancieren. Lisa Endriss eigentliche Botschaft aber in ihrem Kunst- und Umweltprojekt, dieser komplexen Fiktion, ist am Ende eben nicht die Flucht, das Ausweichen auf andere Planeten, in eine Marsmenschenexistenz, sondern das solidarische Miteinander, die einsichtsvolle Hinwendungen zu unseren existenziellen Möglichkeiten und Lebensräumen, wie die der Meere und der Wüsten bis hin zu den Ressourcen dereinst verlassener Städte.
Es geht um Zusammenarbeit, nicht um Gegeneinander, schreibt Lisa Endriss in ihrem Presstext und das ganz im Sinne ihres geheimen Wunsches den Klimawandel aufzuhalten. Und dazu nutzt sie die ganze Bandbreite ihrer künstlerischen Fähigkeiten, zieht alle Register ihrer visuellen Schaffenskraft, wie Malerei Zeichnung, Skulptur, Installationen mit Witz und ironischen Brüchen und outet dabei uns und nicht zuletzt sich selbst als „Daseinsakrobat“, ganz wie im Gedicht des expressionistischen Dichters und Wortschöpfers Theodor Däubler:
Nun muss ich auch zum Daseinskrobaten werden,
auf Riesenschleifen nieder und dann aufwärts schnellen,
das Leben nimmer fürchten, heldisch sein auf Erden,
verworfen werden aber nimmer mehr zerschellen
Stefan Scherer | 23.01.2016
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