Stefan Scherer | Kunst und Texte | Zwischen Himmel und Hölle – AK68 Mitgliederausstellung 2015 | 03.12.2015 – Galerie im Ganserhaus
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Extrem, wie wir nun mal sind mit einem leichten Hang zu Drama haben wir uns für dieses Jahr etwas dementsprechend Dramatisches für die Mitgliederausstellung ausgesucht. Unser Thema „Himmel und Hölle“ ist nämlich als Bezeichnung polarisierender Extreme, im politischen, sozialen, als Lebenswirklichkeit oder Seinsempfindung kaum zu überbieten. Und hätten wir nicht unseren kunstklugen Konzeptgeber Dominic Hausmann gehab, der durch das Einschieben der kleine Präposition „zwischen“, – also zwischen Himmel und Hölle, – noch mal ein ganz anderes Fass aufgemacht hätte, wäre es wohl auch bei einer Veranstaltung der Extreme geblieben. Stattdessen begegnet uns in dieser Ausstellung eine schöpferische Bandbreite- die keine Wünsche offen lässt.
Dominic selbst beschreibt sein Konzept folgendermassen: „Himmel und Hölle sind zwei starke, doch in unserer Kultur auch sehr vertraute Gegensätze, sei es durch Religion oder auch durch den Kontrast von Schwarz und Weiß, Gut und Böse, Oben und Unten. Eine schier unendlich lange Liste von Möglichkeiten könnte sich hier anschließen. Natürlich ist es immer wieder reizvoll, sich den Extremen zuzuwenden und so seinen Horizont und seinen Erfahrungsschatz zu erweitern. Doch sich nur dort zu bewegen, ließe nichts weiter zu als Schwarz und Weiß, Oben und Unten. … Deswegen liegt das Augenmerk auf dem „Zwischen“ Himmel und Hölle. Denn was gibt es Schöneres, als fündig zu werden in diesem großen Bereich der Möglichkeiten.“ Denn zwischen Himmel und Hölle ist schließlich alles möglich, darf ich ergänzen, auch eben die Höllen der anderen, seine Fegefeuer oder Transitzonen, die wir tagtäglich in aller medialen Breite vorgeführt bekommen.
Ganz bei diesem Thema ist im Eingangsbereich auch Hans Thurner und Ute Lechners Postkartenkollage auf dessen dunkelbrauner Oberfläche ganz zarte, winzige Boote und kleine, winkende Arme zu sehn sind. Daneben steht das „schwarze Püppchen auf Hirse“ von Hannelore Sahm und gegenüber trifft Jan Pohl ins Schwarze oder besser ins Rote mit seinem Aquarelle: „Zwischen Himmel und Hölle ist was los“
Hier im folgenden Raum ist das zentrale Werk Dominic Hausmanns Installation aus Papierarbeiten und Acrylmalereien. Wie eingangs schon erwähnt geht es dem Erfinder unseres diesjährigen Konzepts, nicht um die Gegensätze, sondern um die mit Assoziationsketten aus abstrakten Zeichen und visuellen Fragmenten gefüllten Zwischenräume in einer Welt der Extreme. Demgegenüber hängt eine kontemplative, Arbeit von Birgit Jung als pigmentiertes Bütenpapier. Dazwischen, als Zäsur fast wie zu seelischen Erleichterung die Humoreske Fotoarbeit von Martin Weiand; ein Kulturclash als Weisswursträtsel. Durch unsere Bibliothek und unseren Katalogtunnel hindurch folgen in Grün-Schwarz-Weiss-Kontrasten die konkrete Arbeit von Wolfgang Dietrich und- als wär`s von Sean Scully das Streifendyptichon von Sabine Scholz Günther aus den Ateliers der Domagkstrasse.
Stefanie Friederich zeigt im nächsten Raum eine heftigen abstrakten Expressionismus, daran schließt sich das farbstarke, eher tachistische Werk „Rhapsodie on fire“ von Renate Trobisch an, gleich daneben ein in weiss gehaltenes Materialbild mit Fragezeichen von Ursula Kammerl und schliesslich an der Stirnseite des Raumes das grossformatige Acrylbild „Luzifa“ als stürzend-brennender Flügel von Gabriele Granzer
Auf der linken Seite hängen zwei ähnlich gemalte abstrakt figurative Bilder, die sich auch inhaltlich gleichen ohne dabei ihren originalen Charakter zu verlieren. Das eine von Monika Lehmann „Tuberide“ und das andere von Josef Thalhuber „Fährmann“ Und damit steuern wir direkt aufs „Christentum“ zu, so der Titel der düsteren Gipsfigur von Marc Bruckner. Darüber hängt eine kleine vieldeutige Monotypie von Helmut Ranftl
Im nächsten Raum, gleich um die Ecke durfte ich meine Hinterglasmalereien, „black reverses hängen“ und links daneben haben wir die leuchtend rote Mischtechnik von Birgit Moosmüller platziert. Zwei Skulpturen bzw. Objekte stehen im Raum. Das eine von Silvia Hatzl, ein Hemd mit Herz in gewohnter Dodeka-Technik und das andere von Ernst Lechner, eine Skulptur wie ein Fund aus der Antike an deren Rückseite in einer runden Einbuchtung ein moderner Fussball seine geschützten Platz findet. Das ganze ist ein geradezu provozierend-ästhetischer Bruch, aber gerade darin liegt wohl die Stärke dieser Arbeit ,die wenigstens mich erstmal irritiert zurückliess.
Zum Schluss bevor es in den ersten Stock geht, kann man noch ein bisschen Luft holen vor der sehr angenehmen und für den Betrachter komfortablen abstrakten Wachsmalerei von Gerlinde Burkhardt Bießle. Die Treppe heraufblickend sieht man dann zuerst das Gemälde von Ulrich Hutter, die vertikale Spiegelung einer urbanen Landschaft, rechts davon ein farbstarkes picassoeskes Wuselbild von Fritz Armbruster, – man könnte auch abstrakt expressionitisch sagen, wenn das in meiner Rede nicht so ein inflationärer Begriff wäre. Weiter im Raum im Raum folgen die nebeneinander hängende Malereien von Kikki Kleist von Bröckel, ein sehr geschickt und locker gemalter Teddybär und ein Bambi mit Schildkrötenpanzer von Dabi Dräger und ganz unverkennbar in ihrer Neigung zu Bildern zwischen Sex und Groteske. Diesen Arbeiten gegenüber hängt die „Teuflisch“ getitelte Acrylmalerei von Inga Hansen. Und zwei Skulpturen gibt es in diesem Raum, die eine von Carsten Leverenz der in handwerklicher Finesse eine Bronzeskulptur zeigt und auf der anderen Seite eine Art Zwillingsskulptur oder Spiegelung aus Holz von Richard Wenzel.
Weiter im Rundgang blickt man zuerst auf die Traumsequenz von Vera Moritz, eine Videoarbeit die leider die einzige in dieser Ausstellung geblieben ist. Gegenüber folgen zwei Bilder, eins von Hans Gröger, die Malerei über das uns aktuell und ständig vor Augen geführte Flüchtlingsdrama an den Stränden Europas, das andere, eine Fotobearbeitung von Jutta Elschleger zeigt einen einsamen Elefanten in der Wüste.
Als Rufer in der Wüste begegnet mir auch immer wieder Mario Aversano, mit dem ich seit Jahren diskutiere mit wieviel „Sentinemto“ denn gemalt werden sollte, hier in seinem sehr schönen fast monochromen Werk. Rechts von Aversano, fanden sich zwei sowohl dem Inhalt als auch der Technik nach sehr ähnliche Werke. Beide sind thematisch klerikal, Peter Dubina zeigt den Papst als Weltenerklärer und Heidi Eichner einen hohen Geistlichen vor seinen Gläubigen und beides Acryrmalereien derselben Grösse. Vielleicht hätte man das kuratorisch anders lösen sollen. Es sieht in der Hängung aber einfach gut aus und beide Bilder sind von unübersehbarer künstlerischer Eigenständigkeit.
Das kleine Objekt am Boden ist von Andreas Fischer, den wir eher von seinen sehr großen Installationen kennen. Fischer zeigt hier das überdimensionale Himmel-und- Hölle-Spiel, das wir alle als Papierfaltung noch aus unserer Kindheit kennen.
Bevor wir nun in meiner Rundgangsbeschreibung diesen Ausstellungsbereich verlassen, sieht man links ein kleine figürliche Malerei von Hannelore Harzenetter und auf der anderen Seite eine Zeichnung von Regine Pohl mit dem Titel „Engel“ In unserem Durchgangsraum haben wir, wie schon so oft an einer Wand unserer Petersburger Hängung veranstaltet. Dort sind vertreten, Adelheid Schmidinger mit einer edlen, fast musealen Fotografie, einer Mischtechnik „Himmel/Hölle“ von Johann Plank,, dann den leuchtend-roten „Tanz der Gnomen“ von Peter Böhm, die extrem querformatige Fotocollage von Anke Pereira, Hanne Kiefers Dyptichon „Zyklus 64“, Allmut und Jan Plates absurde Fotografie “Lasst die Puppen tanzen“ und „last not least“ erlaube ich mir bei Paul Mooneys Aquarelle auch mal diesen Anglizismus. Gegenüber hängt ein zwischen Nostalgie und Moderne pendelndes Mixed Media-Tryptichon von Amarin Scherer und daneben die Papierarbeit von Dzeko Hodcic, zwei sich vertikal spiegelnde Zeichnungen, die das Extrem beschreiben und gleichzeitig nivelieren. An der Stirnseite hängt die grossformatige Fotografie von Harald Sedlmeier „ send us, if you please more time“ Dasselbe hätte ich mir in Vorbereitung dieser Rede auch gewünscht und bitte Sie um Verständnis für diesen diesen undifferenzierten Schnelldurchgang. .
In unserem nächsten Ausstellungsraum – und ich bitte sie unseren neuen Boden zu beachten, der sich hier mal in voller Breite darstellen kann – präsentiert sich ebenfalls breit angelegt das Triptychon von Corinna Brandl als kraftvolle Malerei. Links von ihr zeigt Magret Kube ihr zweiteiliges Werk „Des Pudels Kern“ und gegenüber, die grossformatige Mischtechnik von Angela Sans. Links daneben zeigt Andrea Eykman ihre hochformatige Mischtechnik “’Styx“. Das Objekt auf der Säule ist eine Arbeit von Ursula-Maren Fitz aus, – wie ich hörte mundgeblasenem Farbglas und Stacheldraht. Titel der Arbeit: „Vanitas“ was in der lateinischen Übersetzung soviel bedeutet wie „leerer Schein“, gleichzeitig als Begriff aber auch eine Spielart des Stilllebens beschreibt.
Stilles Leben gibt’s aber auch im nächsten Raum nicht, sondern vor allem heftige, bis witzige Malerei Das ist zuerst .Brigitte Bosshammers Arbeit „Feuerbaum“ gegenüber P. Janes kleinformatige Malerei “welcome to mars“, Ulrikes Blumbergs wage formulierte, figürliche Malerei mit dem Titel „Energy“ und Uwe Treyz Hyper-Drama “Gnade“ Ein Mann der vor einem glühenden Abgrund steht, dem Inferno. Ich persönlich bin aber sehr froh, dass Uwe nur malerisch in der Hölle gelandet ist, weil ich sonst niemanden hätte, der mir so treu und klug beim Hängen unserer Ausstellungen hilft. An der Stirnseite sieht man schließlich die blaue Fotoarbeit von Peter Troje „Schattenreiche“ und ganz zum Schluss in meiner Beschreibung der Werke des oberen Stockwerks das Aquarelle von Yvonne Tabrogge Grabellus „Verseuchtes Wasser“
Im Abgang zum Gewölbe-Keller hängt rechts eine kokett-ironische Malerei von Monika Kaiblinger mit dem Titel“ Die Invasion der Killererdbeeren“ Im Gewölbe selbst hängt links eine schwere Spachtelarbeit von Maria Ziegler, daran anschließend das Acrylbild „Lovechanging“ von Kitty Winde Stein und das Gemälde “Aus Feuer geboren, dem Himmel so nah“ von Dirk Waltenbauer. Raumbeherrschend zeigt sich das große Dyptichon von Christine Bross an der Stirnseite, rechts daneben das kleine Acrylbild „Ophelia“ von Rita Bugar. Einen ungewöhnlichen Materialmix aus Küchenutensilien zeigt uns Marion Kozel. „Die Entscheidung“ malt Georg Kranner in Acryl und Christa Bock-Köhler das „Licht über den Bergen“ Als letztes Tafelbild in diesem Raum zeigt Max Gärtner eine Lehmputzgravur. Die Skulpturen, bzw. Objekte in unserem Gewölbe sind von Marah-Strohmayer-Haider mit einer gewachsten, gefilzten und vergoldeten Holzstele, Dominic Sans mit einem weiss-getünchten Marterpfahl und Stacheldrahtapplicationen und Helga Goldhorn mit Ihrem Werk aus Holz, Blech und rostigen Nägeln. “Die Überfahrt“
Und Überfahrt nehme ich mal als Überleitung zum Schluss meiner Einführungsrede-
Ich hab alle zwei Jahre das Vergnügen und die Herausforderung die Biennale in Venedig zu besuchen und so ziemlich gleich danach unsere Mitgliederausstellung zu hängen und zu beschreiben. Also eine Überfahrt von Lokal- zu Globalkunst. Dass sich mir Vergleiche aufdrängen, kann ich dabei gar nicht vermeiden auch wenn es ein bisschen größenwahnsinnig scheint . Ich probiere es trotzdem mal.
Auffällig ist, dass im Gegensatz zu unserer Mitgliederausstellung Malerei kaum noch ein Rolle spielt, während sie bei uns die dominierenden Technik ist. Das hat u.a. auch den ganz schlichten Grund, dass Malerei in vielen Teilen der Welt gar keine Tradition hat und gegen die modernen Bildgebungsverfahren als Darstellungsmittel geradezu steinzeitlich wirkt. Wenn ich mir also die Gemengelage, der aus aller Welt zusammengetragenen Lokalkunst, die dann in Venedig als Globalkunst auftritt ansehe, bin ich am Ende sehr froh, dass unsere Mitglieder als kleiner Teil einer lokalen Szene nicht nur die Existenzberechtigung der Malerei immer wieder begründen, sondern auch in allen anderen Techniken aktiv und lebendig, sozial, politisch und künstlerisch inspiriert am Diskurs der Globalkunst teilnehmen auch oder gerade in dieser Ausstellung.
Stefan Scherer | 03.12.2015
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